Der „heiße Herbst“ und die „Montagsdemonstrationen“

Horst Kahrs, Udo Wolf


Linkspopulismus trifft Rechtspopulismus- Es stirbt die Aufklärung und eine Partei spielt mit Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Die Linke in Deutschland (und nicht nur die parteipolitisch organisierte) befindet sich in einer tiefen Krise. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die damit einhergehenden ökonomischen und sozialen Krisenprozesse, die parallel immer dramatisch werdende Klimakrise mit ihren Handlungserfordernissen sowie die rasant fortschreitende gesellschaftliche Fragmentierung in zunehmend sich abschließende soziokulturelle Milieus hat die Partei Die Linke in einer Phase der inhaltlichen Stagnation und Strategielosigkeit erwischt. Zu jedem dieser Themen existieren in der Partei diametral entgegengesetzte Positionen und Meinungen. Auf Parteitagen scheint es relativ klare Mehrhheiten zu geben, in der Bundestgasfraktion sieht das schon ganz anders aus. Doch der Schein trügt. Der Verweis auf vermeintlich klare Beschlusslagen der Bundesparteitage zu Themen, bei denen beispielsweise Sevim Dagdelen, Klaus Ernst oder Sahra Wagenknecht ihre zum Teil rechtsoffenen Positionen medial verbreiten ist nicht nur hilflos, er greift auch zu kurz.

Nach der dramatischen Niederlage bei den Bundestagswahlen stand die Frage nach inhaltlicher und strategischer Klärung, Erneuerung und Perspektive. Auf dem Erfurter Parteitag 2022 reichte die Kraft lediglich, die inhaltlichen Zumutungen des „Wagenknecht-Lagers“ in der Friedens- und Außenpolitik weitgehend abzuwehren. Eine eigene Annäherung an eine substantiierte und glaubwürdige Erneuerung der Friedens- und außenpolitischen Positionen blieb aus. Die notwendige weiterführende Diskussion wurde aus Angst vor der Zerreissprobe vom Spielplan genommen. Zum Thema notwendige sozial-ökologische Transformation angesichts des sich immer rasanter entwickelnden Klimawandels blieb wenig mehr im Gedächtnis als die bekannten abstrakten Floskeln, mehr aber das Gerede vom „Markenkern soziale Gerechtigkeit“ (Trademark?). Frei nach Goethe „denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein...“ (Goethe, Faust . Der Tragödie erster Teil, 1808) wird die Diskussion um Analyse, Programm und Strategie vermieden, weil es absehbar zu eben dieser Zerreißprobe in der Partei kommen könnte, würde mensch in der Partei nach Klärung suchen. „Wenn Sahra geht haben wir keine Bundestagsfraktion mehr“, sagen die Einen. Assistiert von all denjenigen an der „Basis“, die sagen „wenn Ihr Sahra rausschmeisst gehen wir auch“, begibt sich die in sich auch ziemlich heterogene „Bewegungslinke“ und das in sich noch heterogener gewordene „Reformer-Lager“ murrend und schimpfend in die babylonische Gefangenschaft des „Hufeisens“ 2.0 in der Bundestagsfraktion. Dabei fleißig verdrängend, dass die Partei währenddessen weiterhin Mitglieder nach beiden Seiten verliert: „Putin-Versteher“ treten aus, und die Freund*innen der „skurrilen Minderheiten“ ebenso.

Die Suche nach Ursachen für die Wahlniederlage und die Stagnation unter der Fünf-Prozenthürde bei Umfragen unterblieb. Es ist wie eine Schockstarre. Selbst ein Austausch über möglich Fragestellungen dazu, die einen Prozess in Gang hätte setzen können, über Erneuerung, Strategie und Politik wurde mit Verweis, dass angesichts anstehender Landtags- Kommunal- und Europawahlen nicht die richtige Zeit wäre, auf unbestimmte Zeit verschoben. Im Übrigen ein Standard-Argument zur Debattenverweigerung, dass seit dem Göttinger Parteitag immer wieder angeführt wurde. Tatsächlich scheinen wir uns jedoch als Partei nicht die Fähigkeit erarbeitet zu haben, innerparteiliche Debatten führen.

Was will die Linke? Wohin soll die Reise gehen? Wen repräsentiert sie? Wer repräsentiert sie? Die Kakophonie der letzten Jahre, die regelmässig nach öffentlichem Streit in Formelkompromissen und Floskeln mündete, deren Halbwertszeit wiederum der Lebenszeit einer Stubenfliege entsprach, ist offensichtlich kein Erfolgsmodell. Die Positionen von „Fridays for Future“ und Klaus Ernst in der Energiepolitik sind augenscheinlich miteinander inkompatibel. Ebenso wie die Positionen zur Flüchtlingspolitik von Sahra Wagenknecht und der „Seebrücke“. Ob es das Gerede von „skurrilen Minderheiten“, „Gender-Wahn“, „Haupt- und Nebenwiderspruch“ oder „Markenkernen“ ist, solange die nachweislosen Behauptungen „die Linke braucht's“ und ,nur Bewegungslinke, Reformer und Wagenknecht-Gefolgschaft zusammen schaffen es über 5%‘ Ausgangspunkt und Korridor für die Debatte sind, ändert sich substantiell nix. Ein dermaßen überstrecktes Spagat macht im Unterbau bewegungslos und lässt maximal Gezappel mit den Händen zu. Mal ehrlich: Wer ausser der Partei selbst, wegen Finanzen und so, braucht eigentlich eine solche Bundestagsfraktion? Würde eine Bundestagsgruppe, die aber zumindest gemeinsame Grundüberzeugungen und einen gemeinsamen Plan hätte, derzeit nicht mehr Sinn machen? Auch und gerade mit Blick auf die nächsten Bundestagswahlen?

Auch nach dem Erfurter Parteitag hat sich in der Sache so gut wie nichts geändert. Bundestagsabgeordnete sagen Sachen, die Parteivorsitzenden sagen, dass sei aber nicht Beschlusslage, und tun so als wäre damit irgendwas geklärt. Interessiert in der richtigen Welt Wenige. Zumal die Beschlusslagen in vielen Fällen schon Formelkompromisse zwischen eigentlich inkompatiblen Strömungspositionen sind.
Deshalb, in Ermangelung einer seriösen Aufarbeitung der vergangenen Fehler und einer Entwicklung einer eigenen politischen Idee, verlegt sich die Partei auf das Herbeireden und Propagieren eines „Heißen Herbstes“ und wählt obendrein auch noch das Mittel der (historisch besetzten und politisch mehrfach missbrauchten) Montagsdemonstrationen. Ohne eine in sich konsistente Idee über die Forderung nach einer Übergewinnsteuer hinaus, wie eine vernünftige sozialpolitisch und ökologisch vernünftige (darüberhinaus auch bezahlbare und umsetzbare) Strategie zur Bekämpfung der Energiekrise und ihrer sozialen und ökologischen Folgen aussehen soll, ist das nur Politikersatz. Und obendrein in mehrerer Hinsicht kreuzgefährlich.

Damit hier kein Missverständnis aufkommt. Demonstrationen, Protest, ziviler Ungehorsam sind wichtige politische Mittel. Sie dienen, wenn es gut läuft, der Aufklärung über Missstände und helfen bei der Durchsetzung politischer Forderungen. Soziale Bewegungen lassen sich aber in den seltensten Fällen von Parteien gründen. Parteien haben auch eine ganz andere Funktion als Bewegungen, weswegen auch regelmäßig real existierende Bewegungen darüber diskutieren und sich dagegen wehren, sich von Parteien vereinnahmen zu lassen. In der Geschichte der Arbeiterbewegung, wie auch der „Neuen Linken“ gibt es eine ausführliche und interessante Debatte um das Verhältnis von Partei und Bewegung. Dieser Hinweis an dieser Stelle sollte genügen, um zu verdeutlichen, dass Partei und Bewegung jedenfalls unterschiedliche Dinge sind. Im besten Falle können sie sich gegenseitig unterstützen, befruchten und helfen.

Warum konnte die Partei es nicht erwarten, dass die sozialen Gruppen, Initiativen, Gewerkschaften sich über einen möglichen „heißen Herbst“, einen gemeinsamen, abgestimmten Forderungskatalog und die Aktionsformen einigen und dann unterstützen? Warum musste die Partei, im Sommerinterview durch Martin Schirdewan, als wäre sie die „Stärkste der Parteien“ (vgl. die Internationale, dritte Strophe), eine gönnerhafte Einladung zum „heißen Herbst“ aussprechen, wohl wissend, dass Querfront, Rechtspopulisten und Neonazis genau auch auf einen solchen heißen Herbst orientieren?
Warum musste Sören Pellmann in Leipzig ausgerechnet den Montag und den Begriff der Montagsdemonstraitionen okkupieren? Wohl wissend, dass es historisch mittlerweile in mehrfacher Hinsicht nicht nur Geschmäckle hat sondern auch perspektivisch gefährlich. Die Aktionsform der friedlichen Revolution von 1989 ist in den letzten Jahren mehrfach von Rechtspopulisten und Neonazis gekapert worden.
Warum haben sich Bundestagsabgeordnete der Linken und Bezirksverbände an der „Montags- Demonstration“ in Berlin Mitte vor der Grünen- Bundesgeschäftsstelle beteiligt? Sind die Grünen, die sich zusammen mit der SPD gegen die FDP in der Ampel für eine Übergewinnsteuer eingesetzt haben, jetzt der Hauptfeind?
Was ist der aufklärerische Effekt dieser Aktionen? Welche politische Idee steckt dahinter? Die Vermutung liegt nahe, dass die Partei die Simulation von Protestbewegung als Rettungsversuch nach innen und aussen gegen die drohende politische Bedeutungslosigkeit startet. Das ist fatal. Die inhaltliche Unentschiedenheit lässt sich nicht durch Aktionismus nach außen kaschieren.

Die großartigen „unteilbar“-Demonstrationen in den vergangenen Jahren, mit klugen Aufrufen in denen nicht nur „gegen“ sondern auch „für“ etwas auf die Strasse gegangen wurde, zählten mehrere zehntausend Teilnehmer*innen. Sie waren ein ermutigendes Zeichen und gaben Hoffnung auch für progressive parlamentarische Mehrheiten. Die Partei Die Linke hat es allerdings nicht geschafft, diese wirkliche gesellschaftliche Bewegung für sich überzeugend in Wähler*innen-Stimmen umzusetzen. Obwohl Die Linke bei jeder „unteilbar“-Demonstration mit aufgerufen und stark mobilisiert hat, war für viele die demonstrative Gegenposition des Wagenknecht-Lagers abschreckend. Als zudem die Abstimmung zur Evakuierung der Ortskräfte aus Afghanistan die Botschaft aussendete, der innerparteiliche Burgfrieden, die eigene Hybris ist wichtiger als Menschenleben und Menschenrechte, entschieden sich nicht wenige für das „kleinere Übel“ Grüne oder SPD bei den Wahlen. (Die Differenzen zwischen BT-Wahlen, Abgeordnetenhaus- Wahlen und Kommunalwahlen in Berlin am selben Tag, zeigen dass die Wähler*innen sehr genau nach Funktion in und für die Gesellschaft bei der Stimmabgabe entscheiden).
Auch wenn „uns“, der Partei die Linke die soziale Massenbewegung bei der Wahl zum Bundestag wenig genutzt hat, war sie gleichwohl wichtig und bleibt es auch. Die Partei sollte eben nur nicht glauben, dass die Bewegung und Aktionismus die Partei retten könnten. Was ist nur aus dem guten alten „strategischen Dreieck“ der PDS unter Lothar Bisky geworden? Politik einer Partei zu entwickeln zwischen Protest, Gestaltungsanspruch und demokratisch- sozialistischen Alternativen über die bestehenden Verhältnisse hinaus, dass war ja mal gedacht als eine dynamische Veranstaltung. Eben angelehnt an die Dialektik Hegels und Marx‘. Es ging nie um ein Geo-Dreieck zum Ausmessen von „political correctness“ oder dem Lafontaineschen Holzlineal der „roten Haltelinien“. Es ging darum, in sich ständig verändernden gesellschaftlichen Situationen das gesamte Instrumentarium linker Politik zu nutzen, zu überprüfen und der Situation angepasst anzuwenden. Und natürliche auch möglichst alle Handlungssphären adäquat zu bespielen. Das Außerparlamentarische hat verschiedene Handlungsräume, auch, aber nicht nur die Straße. Die Parlamente sind weit mehr als nur „Tribüne des Klassenkampfes“. Aber selbstverständlich funktioniert das (nicht statisch verstandene) „stratetegische Dreieck“ in der Anwendung aber eigentlich nur vernünftig, wenn Haltung und Ziel im Grundsatz relativ klar sind. Also eine möglichst gemeinsame Vorstellung von Gleichheit, Freiheit und Solidarität, dem Gehalt von demokratischem Sozialismus existiert.

Die „Montagsdemonstrationen“ sind aber auch noch aus anderen Gründen problematisch. Autosuggestion und das Feiern der vermeintlichen Beseitigung der Bedrohung, die erst durch den eigenen Fehler entstanden sind, gehören dazu. 5000 Menschen in Leipzig, 1000 Menschen in Berlin, ein paar hundert in Frankfurt an der Oder und hier und da auf der linken Seite und 3000 in Leipzig auf der rechten Seite sieht nach einem klaren Punktsieg aus. Mal abgesehen davon, dass das nicht annähernd an die Größenordnung der „unteilbar-Demos“ der letzten Jahre heranreicht: Die 5000 in Leipzig hätte es vermutlich nicht gegeben, wenn es aus Angst vor der geplanten (und vorher absehbaren) Vereinnahmung durch Nazis und Querfront eine Partei-Unterstützungs-Mobilisierung aus anderen ostdeutschen Bundesländern und von Antifa-Initiativen gegeben hätte. Jule Nagel hat nach der Demo, wie einige andere auch, via Twitter die Einschätzung geäußert , dass die Aktion wohl ohne die Antifa- Mobilisierung ein Desaster geworden wäre. Diese Einschätzung ist schwer von der Hand zu weisen. Sich jetzt dafür zu feiern, dass die Linke mehr mobilisiert hat als die Rechte ist einigermaßen verdummend. Aus einer „Montagsdemonstration“ zum heißen Herbst ist dann letztlich eine große Antifa-Mobilisierung geworden, die notwendig wurde, weil man aus (nennen wir es mal) Ungeschicklichkeit selbst die Nazis ermuntert hat, einen Querfront-Kaperversuch zu starten? Jetzt auch noch anzukündigen, dass man das jeden Montag in Leipzig fortsetzen möchte, ist ein wenig verrückt. Man muss kein Prophet sein, dass über die Wochen die Teilnehmer*innen-Zahlen sinken werden. Auf beiden Seiten, weil der öffentliche Hype dazu nicht zu halten sein wird, die Leute Demo-müde werden, Gregor Gysi nicht jeden Montag kommen wird undsoweiterundsofort. Am Ende werden dort gleichviel Nazis, Linke und Querfront-Schwurbler sein. Das ist bitter. Zumal es möglicherweise demobilisierend wirkt, wenn denn tatsächlich so etwas wie reale soziale Bewegung im Herbst entstehen sollte.
Die Linke mäandert auch in der Logik des Protestes in Form von „Montagsdemonstrationen“ am Rande von fake news und überkommenen Feindbildern. Die Energiekrise gibt es, und es gibt sie nicht weil die Ampel böse oder dumm ist, es gibt sie, weil Putin die Ukraine überfallen hat, weil er Revanchist ist, weil er die europäische Ordnung verändern, zerstören, den russischen Einfluss erhöhen will und dafür gemeinsame Sache mit Nationalisten, Faschisten und Anti-Demokraten in europäischen Staaten macht. All das muss mit Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Es ist gut, dass auf den Krieg nicht mit einem Bundeswehreinsatz reagiert wird, sondern mit Sanktionen (über die man im Einzelnen streiten kann). Aber frühere Bundesregierungen (und die Linke hatte da keine Einwände) haben die Bundesrepublik von russischen Rohstoffen abhängig gemacht. Wir wissen jetzt, das war falsch, demokratische Staaten in Europa sind erpressbar geworden. Dagegen muss ein klares Stoppsignal gesetzt werden. Die Energiekrise gibt es nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und in vielen Ländern mehr. Die sozialen Folgen sind in anderen Weltregionen noch gravierender als hier. Hunger, Flucht, Migration, der Verlust von Freiheits- und die Verletzung von Menschenrechten gehen damit einher. Nationalismus, Deutschland zuerst egal ob in dem Farben von FDP, CDU, AfD oder Lafontaine und Wagenknecht bringt hier, wie auch in der Klimakrise, keine Lösung. Es bräuchte eine neue Qualität europäischer Kooperation, es bräuchte (wie schon in der Pandemie) ein offene Diskussion über Resilienz verletzlicher offener Gesellschaften. Dazu gehört ein umfassenderes Programm der öffentlichen Daseinsvorsorge und Nachhaltigkeit, dass weit über die Frage von Notstandsprogrammen hinausgeht. Und selbstverständlich zeigen diese Krisenprozesse nun kulminiert, dass eine starke demokratische Gesellschaft die Grundversorgung zu erschwinglichen Bedingungen sicherstellen muss. Aber die Debatte muss selbstverständlich mit der Debatte um sozial-ökologische Transformation verbunden sein. Wir werden nicht umhinkommen, die qualitative Seite der Produktion, den Ressourcenverbrauch und die Konsumgewohnheiten in den reichen Gesellschaften des Nordens und in den Schwellenländern neu und radikaler zu diskutieren.

Die Entlastungspakete sind Krisenreaktionspakete. An vielen Stellen halbherzig, fehlerhaft, zu kurz greifend. Aber es gibt zweifellos Anknüpfungspunkte für Politik.
Wäre es nicht klüger, darüber nachzudenken wo für Linke die positiven Anknüpfungspunkte im „Entlastungspaket“ der Bundesregierung liegen? Ist es nicht so, dass die „Zufallsgewinnabgabe“ der Bundesregierung Ausdruck der Bereitschaft von SPD und Grünen ist, eine „Übergewinnsteuer“ gegen die FDP (wenn auch mit semantischen und Konstruktions-Tricks und -Fehlern) durchzusetzen? Ist die „Strompreisbremse“ nicht eigentlich auch ein „linkes“ Projekt, dessen Ausgestaltung so begleitet und gegen die FDP durchgekämpft werden muss, damit sie die ökologische Transformation und die Energiewende nicht torpediert? In fast jedem Punkt des „Entlastungspaketes“ steckt eigentlich eine Aufforderung an die Linke so konkret wie möglich Verbesserungsvorschläge, die sich auch finanziell in den Haushalten von Bund, Länder und Kommunen darstellen lassen, zu formulieren. Damit ließe sich vielleicht überzeugen, in Parlamenten, auf Straßen und Plätzen. Darüber ins Gespräch zu kommen, mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, Initiativen und Gewerkschaften. Das wäre Politik die zuerst definiert wofür sie ist, bevor sie in Not gerät zu erklären, was ihren Protest von dem der Rechten unterscheidet.

Sollte aber die Ankündigungspolitik des „heißen Herbstes“ mit dem Mittel der „Montagsdemonstration“ der Fokus der bleiben, wird auf mittlere Sicht die Unterscheidung zwischen Links- und Rechtspopulismus auf der Erscheinungsebene immer schwieriger werden. Noch schlimmer, wenn durch die Duldung von Putin-Verstehern, Schwurblern und Querfront- Freunden in der Linken, mit der Wahl zumindest fragwürdiger Symbolik bei der Auswahl der Aktionsformen die unsägliche „Totalitarismus-Theorie“ befördert wird, ist das für die Linke Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Diese Linke braucht`s nicht. Es bräuchte eine Linke, die darüber nachdenkt, diskutiert, entscheidet und entsprechend handelt. Vielleicht ist es dafür noch nicht zu spät.

(Ireon/Berlin; 07.09.2022)