NATO-Beitritt von Finnland und Schweden nicht ablehnen

Sabine Berninger, Konstanze Kriese, Lars Hilbig, Melanie Wery-Sims, Torge Dermitzel, Antje Behler, Alex Jahns, Luca Grimminger, Carsten Labudda, Rainer Benecke, Markus Pohle, Jan Werner, Frederike Marx, Moritz Kenk, Finn Luca Frey, Carola Ensslen, Tom Ebertz, Steffen Klötzer, Michael Efler, Regina Kittler, Luise Neuhaus-Wartenberg, Eva Kappl, Anja Stiedenroth, Adrian Beilke-Ramos, Paul Schäfer


Positionspapier zur Haltung der LINKEN und zum Abstimmungsverhalten der Linksfraktion im Deutschen Bundestag

Unsere Partei und ihre Fraktion im Deutschen Bundestag stehen vor der gesellschaftspolitischen Herausforderung, eine historisch konsequente und unseren linken Überzeugungen angemessene Haltung zum NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens zu entwickeln. Wir halten es für richtig, als LINKE in der gesellschaftlichen Debatte, aber auch in den entsprechenden Abstimmungen im Parlament diesen Beitritt nicht abzulehnen.
Daher möchten wir in diesem Zusammenhang vor allem folgende Überlegungen zur Diskussion in der Partei darlegen, die jedoch der Natur der Sache gemäß auch in besonderem Maße an die linken Abgeordneten und unsere Fraktion im Bundestag gerichtet sind:

  1. Finnland und Schweden entschlossen sich angesichts der durch Russland drohenden Gefahr zum NATO-Beitritt. Dahinter stehen neben den aktuellen Gründen auch geschichtliche Erfahrungen, die die Anrainerstaaten des Aggressors Russland, zu diesem Schritt bewogen haben.
  2. Finnland und Schweden haben diesen Schritt selbstbestimmt und demokratisch entschieden. Wir haben - bei aller berechtigten Kritik an der NATO - nicht das Recht, das Selbstbestimmungsrecht dieser souveränen Staaten zu negieren.
  3. Wir teilen die Kritik am Deal mit der Türkei, möchten aber zu bedenken geben, dass nicht einmal die syrischen Kurden ein „Nein“ der Bundesrepublik fordern. Nicht mit „Nein“ zu stimmen verbunden mit der öffentlichen Unterstützung der Forderung der syrischen Kurden nach einer Schutzgarantie für Nordsyrien und eines Angriffsverbotes für die Türkei durch DIE LINKE wäre ein politisch nachvollziehbarer Schritt.
  4. Nachdem durch den Bundesparteitag vor wenigen Tagen mit dem Leitantrag 03 festgehalten wurde, dass die Partei eine handlungsorientierte Außenpolitik debattieren muss und will, hielten wir es für falsch, dieser Willenserklärung nun durch ein „Nein“ in einer Frage zu widersprechen, die der Abstimmung um die Evakuierung der Ortskräfte aus Afghanistan gleicht - sowohl, was die Stimmung in der Bevölkerung als auch die medienöffentliche Wirkung eines geschlossenen „Nein“ betrifft.

Das Ratifizierungsgesetz nicht abzulehnen, untergräbt weder die durch den Bundesparteitag bekräftigten friedenspolitischen Positionen noch die Ablehnung der NATO. Sie änderte (ebenso wie ein geschlossenes „Nein“) auch nichts am Ergebnis der Bundestagsabstimmung.

Ein „Nein“ allerdings ließe DIE LINKE in der öffentlichen Meinung wohl erneut als „Putinversteherin“ erscheinen, unsere - auch gerade durch die Teilnahme des neuen Co-Vorsitzenden am HDP-Parteitag am 3. Juli untermauerte - Unterstützung der Kurd*innen würde wohl eher nicht das von uns öffentlich gezeichnete Bild bestimmen.

Diese Überlegungen sind unser konstruktiver Beitrag für die uns sicher auch weiter bewegenden Debatten in schweren Zeiten. Wir würden uns freuen, wenn auch die Genoss*innen der Bundestagsfraktion diesen Impuls bedenken und in der Konsequenz bei der Ratifizierungsabstimmung - wohl begründet - nicht mit „Nein“ stimmen.

Juli 2022