DIE LINKE und der Krieg: Erneuerung oder Niedergang
Paul Schäfer
Der Schock des bewaffneten Überfalls Russlands auf die Ukraine hat auch in der LINKEN einen Nachdenk- und Diskussionsprozess ausgelöst. Wo haben wir falsch gelegen, was hätten wir früher erkennen müssen, welche Schlüsse sind daraus zu ziehen? Initiiert von den prominenten Mitgliedern Özlem Demirel, Christine Buchholz und Heinz Bierbaum kursiert nun ein Aufruf https://linke-gegen-krieg.de/, der in konsequenter Umkehr des bekannten Hannes Wader-Liedes auch lauten könnte: „Alles bleibt, alles bleibt, wie es war.“ Nun mag trutzige Selbstbehauptung inmitten einer Welt aus den Fugen eine naheliegende Reaktion sein. Das Maß an Realitätsverleugnung in diesem Beitrag jedoch ist erschreckend.
Die Überschrift des Textes – Die LINKE und der Krieg – ist bereits Programm: Es geht nicht um den laufenden Krieg, dessen Ursachen, Triebkräfte oder um unmittelbare Lösungsvorschläge. Zwar werden eingangs die heute einschlägigen Formeln benutzt – „Verurteilung des verbrecherischen Krieges Putins“ und „Solidarität mit der Ukraine“ – doch bleiben diese Sätze im Weiteren belanglos, folgenlos. Schließlich geht es den Autor*innen um „den“ Krieg schlechthin und um die Bekräftigung bisheriger Positionen. Was wir dort lesen, ist daher nicht sonderlich originell: Krieg wird im Interesse des Kapitals geführt. Die Welt von heute ist durch imperialistische Rivalitäten bestimmt, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich dabei um Mächte wie USA, China, Russland oder die EU handelt. Das hohe Abstraktionsniveau des Globalurteils „Kapitalismus=Imperialismus=Krieg“ hat den großen Vorteil, dass man nun den bisher eingängigen Kanon an NEINs nur noch bekräftigen muss: Nein zur NATO, Nein zur Bundeswehr, Nein zur EU-Militarisierung, Nein zu Waffenlieferungen, Nein zu Sanktionen etc.
Das Problem, das sich dann leider auftut: Wie soll das Morden in der Ukraine gestoppt werden? Es bleiben Appelle: Der Krieg solle unverzüglich beendet werden. Aber wer soll den Krieg beenden? Und warum sollte er es tun, wenn er mit Gewalt seine Kriegsziele erreichen kann? Deeskalation sei das Gebot der Stunde, lesen wir. Wer soll deeskalieren? Joe Biden, die Scholz-Regierung, die ukrainische Führung oder Wladimir Putin? Slogans reichen nicht.
Wer in dieser schwierigen Lage substantielle Antworten von links geben will, der wird mehr Gehirnschmalz aufwenden müssen. Daher ist eine Vorbemerkung vor den nachfolgenden Textbausteinen unumgänglich: Putins Krieg bleibt Putins Krieg. Dennoch ist es notwendig, sich mit den geoökonomischen und geopolitischen Entwicklungen und Dynamiken der letzten dreißig Jahre zu beschäftigen, die zu der Lage geführt haben, die wir heute vorfinden. Andreas Zumach hat dies in seinem vorzüglichen Artikel „Putins Krieg, Russlands Krise“ in der Le Monde Diplomatique, Ausgabe März 2022, getan. Dabei verweist er zu Recht in seiner historischen Einordnung darauf hin, welchen Anteil auch „der Westen“, namentlich die USA, die NATO und die EU an der Entstehung und der Eskalation des Konflikts haben. Es geht hier weniger um Schuldzuweisungen, als darum, Fehler und Torheiten der herrschenden Politik aufzuarbeiten, die beachtet werden sollten, wenn man Vorschläge für eine gedeihlichere Zukunft entwickeln will. Wichtig scheint mir auch eine genauere Betrachtung der Metamorphosen, die einzelne Akteure bzw. Akteursgruppen im Zuge dieser Rivalitäten durchlaufen haben. Das trifft nach Lage der Dinge insbesondere auf Russland zu. Gerade hier ist die Prüfung linker Denkmuster der Vergangenheit unumgänglich. Und man kommt nicht um eine Analyse herum, wie sich die Verhältnisse in der Ukraine selbst mit Blick auf die Konfliktachse NATO/EU vs. Russland entwickelt haben, welchen Einfluss diese Konstellation auf innergesellschaftliche Prozesse hatte und hat. Der britische Wissenschaftler Tony Wood hat dies in seinem Text Matrix of War sehr akribisch nachgezeichnet; an seiner Studie kommt nicht vorbei, wer eine ernsthafte Debatte aus linker Sicht über den Ukraine-Krieg führen will. (Tony Wood, Matrix of War, New Left Review 133/134, JanApr2022)
Realitätsverweigerung Nr. 1: Krieg ist gleich Krieg
Der gegenwärtige Krieg ist dadurch gekennzeichnet, dass es einen Angreifer und einen Angegriffenen gibt. Es kann deshalb keine Äquidistanz geben und auch keine Gleichbewertung von Kampfhandlungen, wenn die einen der Verteidigung, die anderen aber dem Angriff, der Eroberung und Unterwerfung dienen und (wenn sich Vorwürfe bewahrheiten) in deren Vollzug Kriegsverbrechen begangen werden. Das Putin-Regime hat die Ukraine überfallen, deren Eigenständigkeit, ja deren Existenz schlechthin, gewaltsam beendet werden soll, obwohl das Land weder eine autonome noch eine Bündnis-gebundene Bedrohung darstellt. Damit verstößt Russland gegen sämtliche einschlägigen Normen des Internationalen Rechts (insbesondere Gewaltverbot, Respektierung der Unabhängigkeit der Mitgliedsstaaten), denen es als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen besonders verpflichtet sein muss. Auch eine Nichteinhaltung des Minsk II-Abkommens durch die Ukraine lässt sich nicht als Bedrohung Russlands darstellen, zumal es nur ukrainisches Territorium betraf. Dies allein rechtfertigt nichts als verstärkte diplomatische Anstrengungen und keinen Angriffskrieg, der paradoxerweise vornehmlich zu Zerstörungen in den Teilen des Landes geführt hat, die Moskau vorzugsweise „eingliedern“ will. Es ist kein Zufall, dass im Aufruf von Demirel/ Buchholz/Bierbaum der Artikel 51 der UNO-Charta keine Erwähnung findet. Dort ist das Recht jedes angegriffenen Landes zur Selbstverteidigung festgehalten. Und die UN-Mitglieder sind zur Hilfeleistung aufgerufen. Die Ukraine hat sich dafür entschieden, von diesem Grundrecht Gebrauch zu machen. Bierbaum/ Demirel/ Buchholz wollen genau diesen Punkt umgehen. Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat zu dieser Form des Pazifismus richtig bemerkt: „Von sich selbst mag man vernünftige Wehrlosigkeit verlangen können. Aber von anderen? Das wäre Pazifismus auf Kosten anderer. Das wäre nur eine Solidarität des eigenen Wohlgefühls“ (Thierse in der FAZ vom 2.4.2022, S. 11).
Realitätsverweigerung Nr. 2: Die Mächtigen bestimmen die Geschichte, nicht die Menschen
Es handele sich im Ukraine-Krieg um einen Machtkampf zwischen dem Westen (NATO, USA/EU) und Russland, heißt es bei Demirel/ Buchholz/ Bierbaum. Nicht ganz falsch. Aber: In dieser Weltsicht kommen zivilgesellschaftliche Akteure, ja die Menschen in den jeweiligen Gesellschaften nicht vor. Es sei denn als Ausführende von Plänen, die anderswo – von den Machtzentralen, den Geheimdiensten und Medienmanipulatoren – ausgeheckt worden sind. In der Ukraine hat sich nach einem Jahrzehnt des Desasterkapitalismus von 1990ff. und der Etablierung oligarchischer Herrschaft der Streit um eine Orientierung am westlichen Kapitalismus oder einer Fortsetzung russischer Obhut entwickelt. In der Orangenen Revolution 2004 und dem Maidan-Aufstand 2014 hat sich das Bedürfnis eines wachsenden Teils der Bevölkerung nach Wohlstand und Freiheit, wie man sie bspw. in der EU verwirklicht sah, Bahn gebrochen und dies musste von den herrschenden Eliten zumindest verbal aufgriffen werden. Aus freien Stücken schloss eine ukrainische Regierung daher ein Assoziierungsabkommen mit der EU ab, dem Russland mit ultimativen Forderungen und Drohungen begegnete. Als die Moskau-freundliche Janukowitsch-Regierung sich diesem Druck beugen wollte, löste sie die Revolte auf dem Maidan aus. In dieser Massenbewegung vor allem junger Menschen ging es elementar darum, dass man nicht länger die Abhängigkeit der Ukraine unter Russland ertragen wollte. Je mehr sich in der Folgezeit die russische Hetzpropaganda gegen eine eigenständige Ukraine entlud, desto stärker wurde das Verlangen, auf eigenen Füßen zu stehen. Als Lektüre dazu sei das Buch von Irina Scherbakowa/ Karl Schlögel, Der Russland-Reflex, Hamburg 2015, empfohlen.
Aber Vorsicht: Ein naiv-schwärmerisches Verhältnis zu diesen zivilgesellschaftlichen Bewegungen, wie es Teile der Grünen an den Tag legen, ist nicht angebracht. Seit den Tagen des Maidan ist eines der Probleme die nicht existente klare Abgrenzung zwischen dem liberalen Teil und dem rechtsextremen Teil dieser Bewegung. Die Rechtsradikalen haben bei den letzten Wahlen schwach abgeschnitten (unter 3 Prozent), sind aber auf der Straße auch wegen ihres Organisationsgrades stark präsent und prägen Öffentlichkeit und staatliche Politik nicht unerheblich. Einschränkungen der Betätigungsfreiheit für kritische oder linke Gruppen können dafür als Indiz dienen.
Ob diese Kräfte nach dem Krieg weiter Oberhand gewinnen oder aber durch eine eindeutig freiheitliche Orientierung zurückgedrängt werden, wird nicht zuletzt vom Verlauf der weiteren Ereignisse abhängen. In jedem Fall kann gesagt werden: Die hier gemachte Einschränkung ändert nichts daran, dass der historische Trend Richtung nationaler Eigenständigkeit und Anlehnung an das westliche, liberale Europa durch Putins Krieg auf Dauer festgeschrieben ist. Dazu braucht es weder George Soros noch die CIA.
Es ist evident: Diese Nationalstaatswerdung von unten bildet die Grundlage für den enormen Widerstand, den die Ukrainerinnen und Ukrainer den Aggressoren leisten. Und der Wille eines Großteils der Bevölkerung, einen eigenen Weg zu gehen und sich nicht – nach Jahrzehnten der Russifizierung – dem „übermächtigen“ Nachbarn zu unterwerfen, ist allzu verständlich.
Realitätsverweigerung Nr. 3: Alle Kapitalismen sind gleich
Auch wenn die allgemeine Aussage, dass es sich um einen Machtkampf zwischen verschiedenen Kapitalismen handele, nicht aus der Luft gegriffen ist, so besteht dennoch die Notwendigkeit, die konkreten Handlungen der verschiedenen Akteure jeweils zu bewerten. Richtig ist, dass sich die USA die Ukraine als Feld ausgesucht haben, um den möglichen weltpolitischen Rivalen Russland dauerhaft zu schwächen. Daher ihre starke Präsenz vor 2014, auf dem Maidan und erst recht danach. Richtig ist, dass die EU-Kommission rigoros und kompromisslos das Assoziierungsabkommen durchsetzen wollte. Diese Staaten und westliche Stiftungen etc. haben sich massiv eingemischt. Dass sie dabei nicht nur philanthropische Motive verfolgten, kann unterstellt werden. Daran kann man, nein, sollte man Vieles kritisch sehen, ein Verbrechen ist es nicht. Die andere Seite der Medaille ist: Als sich Präsident Janukowitsch nach Russland absetzte, weil er infolge der Maidan-Revolte keine Mehrheit im Land mehr hatte (!), antwortete Putins Regime mit der gewaltsamen und völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der militärischen Unterstützung einer durch nichts legitimierten militanten Separatistenbewegung im Donbass. Nota bene: Die Einen traten auf Kundgebungen auf, spendeten Geld, die Anderen eröffneten einen Krieg. Wer diesen qualitativen Unterschied einebnet, ist nicht nur realitätsblind, sondern muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass für ihn das Völkerrecht keine substantielle Bedeutung hat.
Realitätsverweigerung Nr. 4: Der imperialistische Charakter des Putin-Regimes
Wer sich eingehender mit den Voraussetzungen für die aggressive Politik Russlands im postsowjetischen Raum beschäftigt, wird gewiss auch „kapitalistische“ Gründe finden. Nicht zuletzt, weil das russische Regime auf der fossil-industriellen Produktionsweise und einer exzessiven Rüstungsexportpolitik aufsetzt. Auch der Versuch, den Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums durch ausgreifende, auf Gewaltmittel gestützte Außenpolitik (Geopolitik) zu revidieren, kann man in einem weiten Sinne dem „Geist des expansiven Kapitalismus“ zuschreiben. Aber eine hinreichende Begründung für Putins Politik sind diese Beschreibungen nicht. Ob die russischen Oligarchen scharf auf diesen Krieg gewesen sind, ist nirgends belegt. Und im Hinblick auf die ukrainischen Eroberungen sei darauf hingewiesen, dass in dem Russland de facto aggregierten Teil der Donbass-Region seit 2015 über 40 Bergwerke geschlossen und über 60.000 Arbeiter entlassen wurden. Erfolgreiche Kapitalvermehrung und Ressourcenplünderung sieht anders aus. Der bereits erwähnte Tony Wood schreibt dazu, dass sich die wirtschaftliche und die territoriale Logik der russischen Macht nach 2014 offenkundig entkoppelt haben: „In den Jahren des Rohstoffbooms der 2000er Jahre waren Russlands geopolitische Prioritäten und die Interessen seiner Kapitalisten weitgehend deckungsgleich, wobei die Machtprojektion im ‚nahen Ausland‘ mit dem Investitionsstreben russischer Unternehmen in Übersee vereinbar war. …In der Ukraine waren diese beiden Logiken in einem ungewöhnlichen Ausmaß miteinander verwoben, vor allem aufgrund der Rolle ihrer Pipelines für den Transport von russischem Gas zu den europäischen Märkten. Nach 2014 wurden die beiden Logiken jedoch getrennt: Der Donbass-Krieg führte zur physischen Zerstörung vieler Industrieanlagen in russischem Besitz, während die Krim-Annexion zu westlichen Sanktionen führte, die sowohl Investitionen nach innen als auch nach außen behinderten. Die Tatsache, dass der Kreml diese Sanktionen für erträglich hält, zeigt, dass sich das Wesen der russischen Macht grundlegend verändert hat.“ (deutsche Übersetzung: Klaus Dörre)
Wie die verdienstvolle kritische, materialistische und neo-marxistische Forschung vergangener Jahrzehnte gezeigt hat, ist Politik nie einfach Verlängerung irgendwelcher Interessen von Kapitalisten, zumal es „das“ Kapital als handelndes Subjekt ohnehin nicht gibt. Daher müssen wir über die Renaissance ethno-nationalistischer Politiken und den damit verbundenen Parteien, Bewegungen, Stiftungen usw. reden, die sich – vom Patriarchen Putin gefördert – in den letzten beiden Jahrzehnten im Lande ausgebreitet haben. Die Folge: Eine massive Einschränkung der zivilgesellschaftlichen Spielräume, eine eindimensional ausgerichtete Medienlandschaft, verschärfte Repression gegen jegliche Oppositionstätigkeit, Wahlmanipulation etc. pp. In einem Satz: Die Hinwendung zu einem autoritären Herrschaftssystem, das diesen Herrschaftstyp auch im erweiterten geopolitischen Umfeld bewahren bzw. etablieren will. Die Autor*innen des hier kritisierten Textes fallen im Übrigen noch hinter die begrenzten und irreführenden Definitionen des Faschismus als „Diktatur der reaktionärsten Teile des Finanzkapitals“ durch die Kommunistische Internationale 1935 zurück, die ebenfalls die Verselbständigung politischer Macht negierte.
Warum sonst hat sich Putin in Belarus eingemischt und die Repression gegen die dortige Demokratiebewegung unterstützt? „Russki Mir“, die russische Welt soll wieder erstehen, in alter Pracht und Größe. Naomi Klein hat für diesen Politiktyp, den wir bei Trump, Erdogan, Putin und anderswo studieren können, den trefflichen Begriff einer „toxischen Nostalgie“ geprägt. Klaus Dörre greift (nach Abräumen der Kurzschlüsse bzgl. des Verhältnisses von Kapital und imperialer Politik) auf einen Begriff des britischen Pazifisten Edward P. Thompson zurück: „Exterminismus“ („Drang zur Auslöschung“). Damit kann er an seine Untersuchungen der heutigen globalen Krisenlandschaften, die elementar mit der drohenden ökologischen Katastrophe verbunden sind, anschließen und den sich daraus entwickelnden internationalen Konstellationen auf den Grund gehen (Klaus Dörre: Das Zeitfenster schließt sich! Krieg, Exterminismus und die Utopie des Sozialismus. In: Sozialismus, Heft 4 2022). Die besondere Aggressivität des russischen Regimes erklärt sich aus dem machtpolitisch randständigen Status, in den das Land trotz Atomwaffen und Weltmachtanspruch nach 1990 geraten ist. Dieser Status droht sich durch die Fixierung Russlands auf eine anachronistisch werdende fossil gestützte Wirtschaftsweise weiter zu verschärfen. Der Exterminismus fußt in diesem Fall auf postzaristischem Großmachtstreben, nationalistischer Mobilisierung, Repression, Führerkult, „Totalisierung politischer Macht“, um diesem Abstieg „ohne Rücksicht auf Verluste“ entgegenzuwirken. Dieser Zuspitzung der Analyse versuchen Bierbaum/ Demirel/ Buchholz zu entgehen, was einen triftigen Grund hat: Man braucht sich nicht länger mit dieser spezifischen Dramatik und sich daraus ergebenden Risikoabwägungen aufzuhalten, sondern kann sich auf die bewährten Erklärungsmuster und Reaktionsweisen zurückziehen.
Diese verkürzten Erklärungsmuster verlängern einen blinden Fleck einer westeuropäisch geprägten Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts und verhindern Verständnis wie Aufklärung gegenüber der erbitterten politischen Auseinandersetzung zwischen den Regierungen osteuropäischer EU-Mitgliedsländer und Russlands in Fragen der Erinnerungskultur und historischen Aufarbeitung von Faschismus und Stalinismus anstelle ihrer Gleichsetzung hinsichtlich der Kriegsschuld im 2. Weltkrieg, die u.a. in der Geschichtsresolution des Europaparlaments im September 2019 festgeschrieben wurde.
Litauen und Lettland, die erst 1939/40 von der Roten Armee und dann 1941 von der Wehrmacht besetzt wurden, kollaborierten zum Teil, ebenso wie ein Teil der polnischen Gesellschaft, im 2. Weltkrieg mit den Nazis und beteiligten sich an der Vernichtung jüdischer Mitbürger*innen (Warschauer und Rigaer Ghetto), was sie heute weniger thematisieren und aufarbeiten als die mehrfache sowjetische Besetzungsgeschichte und deren Gewaltverbrechen (Katyn).
Osteuropas unaufgearbeitete Kriegs- und Nachkriegsgeschichte ist zugleich ein Background der NATO-Osterweiterung nach 1989/90, die von osteuropäischen Staaten selbst forciert wurde und damit zugleich Bruchlinien des Kalten Krieges nur um einige Kilometer nach Osten verschob, statt sie aufzuarbeiten und die Chance zu eröffnen, den Zweck des Nordatlantischen Bündnisses in den 90ern auf den Prüfstand zu stellen. Dass sich Putin in der ideologischen Begründung des Krieges gegen die Ukraine insbesondere der anerkannten Formel einer „Entnazifizierung“ bedient, obwohl seine Unterstützung von Rechtspopulisten in Westeuropa bekannt ist, basiert auf der in der Russischen Bevölkerung zu Recht tief verwurzelten Anerkennung der Roten Armee als Befreierin vom deutschen Hitlerfaschismus.
Realitätsverweigerung Nr. 5: Die bürgerliche Demokratie und die liberalen Werte sind bloß Schein
Wie berichtet schreiben Demirel/ Buchholz/ Bierbaum davon, dass es in der Ukraine-Krise nicht um die Angst Putins vor demokratischen Bestrebungen gehe, sondern um Kapitalinteressen. Es ergebe sich schon daraus, dass es den imperialistischen Staaten nie um Demokratie und Freiheit gehe. Das läuft logischerweise darauf hinaus, dass wir es in den „bürgerlichen Gesellschaften der Neuzeit“ im Wesentlichen mit Fassadendemokratien zu tun haben. Der heute gern bemühte Gegensatz zwischen Demokratien und Autokratien als internationale Konfliktachse wäre somit ein Scheingegensatz, der keine Entsprechung in der Realität habe.
Nun kann keine Rede davon sein, dass „der Westen” Musterdemokratien versammelt und sich global um deren Ausbreitung bemühe. Aber schon Kalle Marx wusste, dass die Bourgeoisie, um an die Macht zu gelangen und sie zu behaupten, humanistische Werte, die im Interesse Aller liegen, formulieren muss, die sie aber dann nicht konsequent einlöst und ggf. auch zur Disposition stellt. Dieser Druck zur Legitimation bürgerlicher Herrschaft, manifestiert sich je nach Verlauf der Klassenkämpfe und der Kräfteverhältnisse, in kodifizierten Rechten für die Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger (also auch der Arbeiterschaft). Diese Rechte bleiben umkämpft. Die Geschichte hat gezeigt, dass diese Kristallisationen extrem wichtige Kampfpositionen für diejenigen sind, die eine konsequent emanzipatorische Gesellschaft durchsetzen wollen. Ein Blick in die Länder, in denen es diese Rechte nicht gibt (siehe Russland heute), reicht als Beleg. Es ist eine zentrale Schwäche einer sich besonders „radikal” verstehenden Linken, dass sie dieses Legitimationsproblem und sich daraus entwickelnden Errungenschaften in den demokratisch verfassten Kapitalismen notorisch negiert – und damit Bündnismöglichkeiten in der Gesellschaft und Potentiale ihrer emanzipatorischen Transformation verspielt.
In dieser Verkürzung, die keine Unterscheidung zwischen bürgerlicher Gesellschaft und deren kapitalistischer Widerspruchsbewegung kennt, ist die EU dann ausschließlich auf dem Wege in eine Militärunion und abzulehnen. Wie sie zu einem demokratischen politischen Projekt werden kann, einschließlich einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, und welche Ansätze sie dazu mit dem seit 1979 agierenden Parlament schon hat, fallen bei einer vereinfachten Sicht auf sie als bloßes Ausführungsinstrument eines imperialen Machtblocks letztlich unter den Tisch. Ablehnungen imperialer Handelsverträge wie ACTA oder TTIP oder der Kurswechsel der EZB weg vom Vorbild der Deutschen Bundesbank werden damit aus der schmalen Erfolgsgeschichte des Projektes getilgt und der laufende Kampf um einen Europäischen Mindestlohn, gegen die Schuldenbremse oder für eine humane Flüchtlingspolitik letztlich auf den nationalen Rahmen verwiesen. Hat die Linke jedoch nur Negativantworten, wird sie auch nicht als eine Kraft wahrgenommen werden, die die europäische Integration befürwortet und weiterentwickeln will.
In der krisengeschüttelten Welt unserer Tage ist der Kampf um Demokratie und Grundrechte zu einem Kardinalthema der internationalen Arena geworden. Die extreme Rechte hat sich globalisiert (die Trumps, Bolsonaros, Orbans, Putins, Le Pens usw. usf.) und macht auf breiter Front gegen demokratische Positionen mobil. Gerade daher ist es eine elementare Aufgabe der Linken, sich als konsequente demokratische, europäische und internationalistische Kraft zu profilieren und zugleich an breiten demokratischen Allianzen, die auch Staaten bzw. Staatengruppen umfassen muss, mitzuwirken.
Bei historischen Analogien gilt es vorsichtig zu sein. Aber manches erinnert dann doch an die Krisenzeit nach 1930 und den Generalangriff der politischen Rechten auf Demokratie und eine „liberale Weltordnung”. In dieser Situation hat die Linke, zumal in Deutschland, historisch versagt. Der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale hat 1935 die Negation des Unterschieds zwischen demokratischen und diktatorischen Herrschaftsformen hart kritisiert und radikal mit der sektiererischen Verengung der kommunistischen Bewegung abgerechnet. Er rief stattdessen zu breiten Bündnissen auch mit den „bürgerlichen Demokraten” auf. Leider war dieser Appell - wie sich danach zeigte – im Wesentlichen taktisch motiviert und hat diese Bewegung nie durchdrungen. Dies wirkte bis in ihren schmählichen Niedergang nach 1989. Wollen wir daraus lernen oder nicht?
Realitätsverweigerung Nr. 6: Gegen militärische Gewalt kann man nichts ausrichten
Der bewaffnete Konflikt in der Ukraine lasse sich nicht militärisch lösen, schreiben die Autor*innen des Antikriegs-Appells. Der Logik des Textes folgend, hätten sich die Ukrainer nicht militärisch wehren, sondern unterwerfen sollen. Im Klartext: Putin hätte sein Ziel, die Ukraine zu besetzen, ein Marionettenregime zu etablieren und als eigenen Staat auszulöschen, mit militärischer Gewalt erreicht. Auch eine „Lösung“. Dass dies zunächst vereitelt wurde, hat vor allem einen Grund: Die ukrainische Gegengewalt, die zu einer nationalen Erhebung gegen die drohende Fremdherrschaft wurde. Jetzt droht immer noch eine militärische (Teil-)Lösung: Russland besetzt die gesamte Donbass-Region, möglicherweise bis Odessa und gründet dort einen neuen Quasi-Staat „Novorossija“, der entukrainisiert und Russland beigeordnet ist. Die fortgesetzten Angriffe auf die Städte und die kritische Infrastruktur sollen die ukrainische Regierung dazu bringen, die gewaltsam erreichten Veränderungen anzuerkennen und einer „Westorientierung“ abzuschwören. Auch dies wäre eine militärische Lösung.
Nun wird man nicht jedem angegriffenen Land empfehlen, sich militärisch zu wehren. Sollte die Republik Moldau Opfer russischer Aggression werden, täte sie gut daran, sich auf zivilen Widerstand zu verlegen und darauf hoffen, gestützt auf internationale Solidarität den längeren Atem zu haben. Überhaupt ist es eine schwierige Güterabwägung, welcher Preis durch militärische Gegenwehr, den auch dadurch verursachten Zerstörungen und Opfern zu zahlen ist und in welchem Verhältnis dies zu einem erreichbaren Ergebnis steht. Dies wird auch die ukrainische Regierung nach dem Ende des Krieges zu bilanzieren haben. Aber die Möglichkeit, sich bewaffnet gegen Aggressoren zu wehren, die ein Land dauerhaft unterwerfen sollen, a priori und generell auszuschließen, läuft darauf hinaus, das Recht des Stärkeren und Skrupelloseren als internationale Norm zu etablieren. Sollte dieses Beispiel Schule machen, bedeutete es das Ende einer regelbasierten Weltordnung (UN-Charta). Und eine solche Welt würde viel mehr Tote, mehr brutale Unterdrückung und Ausbeutung mit sich bringen.
Realitätsverweigerung Nr. 7: Soldaten sind sich alle gleich
Noch einmal: Die Aussage bei Bierbaum et al., Konflikte ließen sich „nicht militärisch lösen“ würde jeder Soldat/jede Soldatin der Bundeswehr in dieser Allgemeinheit unterschreiben und hinzufügen, dass es von der Politik abhänge, ob ein militärischer Einsatz zur Konfliktlösung beitragen (!) könne. Der Beitrag könne etwa darin bestehen, exzessive Gewalt zu deeskalieren oder darin, Zeit für Verhandlungen zu gewinnen, etc. pp. Dabei würde reflektiert, dass das Militär ein Instrument ist, um bestimmte, begrenzte Ziele zu erreichen. Nicht mehr und nicht weniger. Man kann sich auf militärische Mittel stützen, um Flüchtlinge abzuwehren, im Mittelmeer bspw., aber auch um Flüchtlinge in bedrängter Notlage zu evakuieren (Kabul, August 2021), man kann mit Soldaten Länder überfallen und viel Leid verursachen, aber als Blauhelm-Kontingent auch der Überwachung von Waffenstillständen bzw. Friedensabkommen zuarbeiten, Streitkräfte können Gewalteskalation befördern, aber auch von Gewaltanwendung abschrecken. Die Erfahrungen militärischer Interventionen der vergangenen Jahrzehnte (Irak, Afghanistan, Libyen) sind starke Belege, dass man mit Militär eher Unheil anrichtet und stabilen Frieden nicht herstellen kann. Die waffenstarrende, nuklear hochgerüstete bipolare Welt nach 1945 war auch alles andere als stabil und friedenssichernd. Daher bleibt es ein linkes Essential, sich militärkritisch aufzustellen und für die allgemeine und vollständige Abrüstung einzutreten! Diese Welt werden wir aber nur durch langwierige Friedensprozesse innerhalb von Gesellschaften, zwischen ihnen und durch internationale Abkommen erreichen. In der Zwischenzeit werden wir uns mit der Existenz von Streitkräften arrangieren müssen. Uns sollte es dann darauf ankommen, dass a) die Armeen strikt auf Verteidigung ausgerichtet sein müssen, b) nur im strikten Einklang mit der UN-Charta eingesetzt werden, dass es c) immer um gerechte Friedenslösungen gehen und d) die internationale Gemeinschaft sich um einen steten Prozess der Rüstungskontrolle und der Abrüstung bemühen muss. Auf dieser Grundlage wird DIE LINKE ihr „Nicht-Verhältnis” zur Bundeswehr überwinden müssen und konstruktive Vorschläge zu machen haben, welchen Auftrag die Truppe, mit welchen Fähigkeiten leisten soll. Sich aus den aktuellen Bedrohungen mit den alten Formeln davonstehlen zu wollen, wird nicht länger gehen.
Realitätsverweigerung Nr. 8: Alles ist verhandelbar
Als Lösung für den Ukraine-Krieg schlagen Bierbaum/ Demirel/ Buchholz vor, dass man auf Verhandlungen drängen solle. Verhandlungen zu fordern ist immer richtig. Aber der illusionslose Blick auf die Realitäten ist notwendig, um nicht im luftleeren Raum zu agieren und um angemessene Antworten zu finden. Diplomatische Bemühungen gab es im Vorfeld des Krieges zuhauf. Auch Kompromisse wurden angeboten (militärische De-Eskalation, Aufschub der NATO-Mitgliedschaft). Russland hat in diesem Rahmen einen Forderungskatalog vorgelegt (Verträge), der erkennbar für alle Seiten gänzlich unrealistisch war. Drei Tage nachdem der französische Präsident Emanuel Macron seine Verhandlungen in Moskau dahingehend zusammenfasste, „eine Lösung des Konflikts ist möglich“ (was ja nur heißen konnte, dass man sich hinter den Kulissen scheinbar nahegekommen war), fielen die russischen Truppen (offensichtlich von langer Hand vorbereitet) in die Ukraine ein. Trotz der Kampfhandlungen hat es seitdem zahlreiche Gespräche gegeben. Präsident Selensky hat Verhandlungen über einen Neutralitätsstatus des Landes angeboten, dabei allerdings nachvollziehbar auf Sicherheitsgarantien gedrängt. Was den Donbass betrifft, sollte man, so Selensky, ein neues Abkommen vereinbaren, selbst in der Krim-Frage hat er Entgegenkommen angedeutet. Offenkundig nutzt Moskau, das auf diese weit reichenden Angebote nicht eingeht, die Diplomatie bisher vor allem als Nebelvorhang, um die Aggression uneingeschränkt fortsetzen zu können.
Daher läuft der zeitlose Appell, man müsse an den Verhandlungstisch zurück, nur auf Selbstberuhigung hinaus. Appelle gibt es zur Genüge. Der UN-Generalsekretär hat appelliert, die UN-Generalversammlung hat mit 141 Stimmen zum unverzüglichen Ende der Gewalt und dem Truppenrückzug aufgerufen. Mehr diplomatischer Druck geht nicht. Nur auf die Diplomatie zu verweisen, zeugt nur von großer Hilflosigkeit. Wenn zudem alle anderen Mittel abgelehnt werden – ökonomisch, militärisch – was bleibt noch? Kapitulation!
Stattdessen gilt es doch darüber nachzudenken, wie man durch die materiellen Verhältnisse maximalen Druck auf Putin und seine Gefolgschaft aufbauen kann. Und man wird den Preis für seine Aggression maximal hochtreiben – unter Beachtung der damit verbundenen Risiken. Dies kann nur auf zweierlei Weise geschehen. Durch militärische Gegenwehr bzw. deren Unterstützung und durch harte wirtschaftliche Maßnahmen, um die kriegerischen Möglichkeiten des Regimes zumindest mittelfristig drastisch zu beschränken. Dies können finanzpolitische Schritte sein, Beschränkungen des technologischen Austauschs und – ganz wesentlich – die Beendigung der Zusammenarbeit bei den fossilen Energien, denn deren Ausbeutung sichert die Kriegsfähigkeit Moskaus zumindest indirekt. Nur wird sich diese Kooperation nicht auf einen Schlag bewerkstelligen lassen. Und es sind bittere Kröten zu schlucken. Während sich die USA u.a. an das Feindesland Venezuela wenden, reist Wirtschaftsminister Habeck nach Katar, um russisches Erdgas substituieren zu können. Die alte Abhängigkeit von Russland wird fast schon ironischerweise durch die Abhängigkeit von umweltschädlichem Flüssiggas made in USA ersetzt. Was ist die Alternative? Eine tiefe Wirtschaftskrise hier zuzulassen und einfach Konsumverzicht zu üben? Präsident Putin würde sich freuen, auch in der Annahme, am längeren Hebel zu sitzen und energisch weitermachen. Was also sonst?
Die Sanktionen und ihre Folgen harsch zu kritisieren, wie es Bierbaum/ Demirel/ Buchholz tun, ist billig. Unterm Strich bleibt, dass ihre Position darauf hinausläuft, Putins Regime nicht weh tun zu wollen. Und für die Solidarität mit der Ukraine soll hierzulande kein Preis gezahlt werden. Der deutsche Michel lässt grüßen. Das heißt aber nicht, dass kein Streit über die Art und Weise der Sanktionen, ihr Ausmaß, ihre Zielgenauigkeit, ihre Wirkungen und ihre Konditionalität zu führen wäre. Merkwürdig nur, dass die Autor*innen des Aufrufs schon genau wissen, welche Wirkungen Sanktionen auf das Bewusstsein der russischen Bevölkerung haben werden, die zwingend zu deren Ablehnung führen. Welche Wirkungen hätte es denn, wenn man ihrem Rat folgen würde und die Ukraine hätte sich einem russischen Blitzkrieg kampflos gebeugt? Hätte dies Putins Stellung in Russland gestärkt oder geschwächt? Und wenn die Bevölkerung keine Wirkungen des Krieges zu spüren bekäme und stattdessen nur mit den Erfolgsmeldungen der Spezialoperation berieselt würde, würde dies Widerstand hervorrufen? Auch hier wird das Muster erkennbar: Man sucht sich die Mutmaßungen heraus, die die eigene Haltung des bloß platonischen Widerstandes begründen sollen.
Schlussbemerkungen
Zum Einen erscheint es uns sinnvoll, Die LINKE setzte sich näher mit dem Aufruf verschiedener linker Parteien in Osteuropa und Skandinavien gegen Putins Krieg auseinander, der konkrete Solidarität mit dem ukrainischen Volk einfordert. In der Vergangenheit waren LINKE immer ganz erpicht darauf, sich mit Linksparteien anderer Länder zu identifizieren. Heute sollten sie sich mindestens deren Position und Kritik stellen. https://partiarazem.pl/2022/03/left-solidarity-with-ukraine/
Zum Anderen wäre es zwingend notwendig, sich mit der Lage ernsthaft zu beschäftigen, in die DIE LINKE durch den Krieg geraten ist: Sie ist nicht zu übersehen an einem Scheidepunkt angelangt. Entweder es gelingt ihr eine Neuaufstellung, die den veränderten, verdammt schwierigen Umständen Rechnung und ihr neue Wirkungsmöglichkeiten eröffnet, oder sie zieht sich in ihren Mikrokosmos alter Gewissheiten zurück, der nur völlige Marginalisierung bedeuten kann. Dazwischen gibt es nichts.
Vielleicht hilft zum Schluss doch ein Blick weit zurück. Die Kommunistische Partei der USA hat in den 30er Jahren den wohlfahrtsstaatlichen New Deal des Präsidenten Roosevelt mit Maximalforderungen kritisiert und sich damit von der Gewerkschaftsbewegung entfremdet. Mit ihrer Unterstützung des Hitler-/Stalin-Paktes kam sie im „land of the free“ gar nicht gut an. Ihr Kampf gegen den amerikanischen Kriegseintritt gegen den Hitlerfaschismus, weil man sich in den Konflikt zwischen Imperialismen nicht einmischen wolle (klingt irgendwie bekannt…) - eine Position, die sie erst mit dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion aufgab (!) - hat sie als antifaschistische Kraft moralisch diskreditiert. Von der darauf folgenden politischen Isolation hat sie sich (auch ein gewisser McCarthy hat daran mitgewirkt) bis heute nicht erholen können. Immerhin Özlem Demirel, Christine Buchholz und Heinz Bierbaum mag es trösten: Sie existiert noch. Aber soll das unsere Perspektive sein?
Mitarbeit: Konstanze Kriese, Luise Neuhaus-Wartenberg und Alban Werner
25.04.2022